Wednesday, May 11, 2011

- BUSINESS NOT SHOWBIZ

*GERMANY 12 POINTS ?


Kriegt das deutsche Fernsehen eine halbwegs unpeinliche Show hin, mit der man sich in Europa nicht blamiert?




Ja, kriegt es, kann man nach rund zwei Stunden erstem Halbfinale sagen - wenn man mal den schon recht peinlichen Tonausfall außer Acht lässt. Das liegt vor allem an zwei Faktoren: Anke Engelke und dem riesigen, wirklich RIESIGEN Screen, der das Bühnenbild bestimmt. Engelke hat Souveränität, Sprachkompetenz und Ausstrahlung nicht nur für zwei, sondern drei Moderatoren, weshalb sie die Ausfälle Raab und Rakers mehr als kompensiert. Judith Rakers ist das erwartbare Pointen- und Charme-Schwarze-Loch, das alles Unterhaltende verschluckt. Was den Timing- und Fremdsprachen-Herausgeforderten Raab für den Job qualifiziert hat, bleibt weiterhin mysteriös. Bei allem Applaus, den er vom Saalpublikum bekommt, sind auch deutlich Buhrufe zu vernehmen. Als er einen Witz auf Anke Engelkes Kosten macht, werden diese sogar richtig laut. Ob er es sich mit seinen aggressiv-blödelnden Interviews und Auftritten im Vorfeld mit seinen Fans verscherzt hat? An seiner erneuten Nominierung von Lena kann es jedenfalls nicht liegen, denn die ist unter den Fans so beliebt wie 2010.



Hier kommt Konkurrenz für Lena



Aber von Raab - auch wenn er das sicherlich anders sieht - hängt der Erfolg dieser Show nicht ab. Auf ihn kommt es nicht an, denn da ist ja der RIESIGE LED-Screen, unglaubliche sechzig Meter breit und achtzehn Meter hoch. Der Screen ist so beeindruckend, dass der Auftritt der Polin Magdalena Tul, der erste des Abends, fast an einem vorbeirauscht. Doch dann steht die heimliche Favoritin Stella Mwangi aus Norwegen auf der Bühne und nimmt diese samt dem Rest der Arena ab dem ersten Takt ihres Songs "Haba Haba" in Beschlag. Die basslastigen Afrobeats-Anklänge reißen mit, ohne große Show ist die Stimmung sofort auf hundert. Konkurrenz für Lena? Hier ist sie, das ist die einhellige Meinung in der Arena.







Eurovision Song Contest 2011: Alle Teilnehmer

Auf deutlich mehr Schnickschnack setzen dagegen Albanien (Premiere für die Pyrotechnik!) und Armenien. Sängerin Emmy liefert einen extrem unterhaltsamen Auftritt, der in einem überdimensionierten Boxhandschuh beginnt und sie später in einem ad hoc aufgebauten Boxring einfängt. Ach, Emmy, würdest du doch bloß nicht "Boom Boom Chucka Chucka" singen - aus dir könnte glatt was werden.



Noch mehr uninspirierten Dance-Pop gibt es aus Russland, wo der aalglatte Alexej Vorobjow seine Austauschbarkeit auch noch damit betont, als James Dean gestylt zu erscheinen. Kroatien und Ungarn schicken praktisch dieselbe knochige Blondine mit Fönwelle und Euro-Trash ins Rennen. Aus sehr schwer nachvollziehbaren Gründen kommt aber nur Ungarn weiter.



Im Blaumann aus Portugal, ironisch aus Finnland

Auf niedlich machen dagegen die Schweiz und Serbien. Während das Schweizer Küken Anna Rossinelli und seine dünne Gute-Laune-Trällerei vom RIESIGEN Screen fast erschlagen werden, machen überdimensionierte Grafiken aus dem Sixties-Tribut der Serbin Nina einen überraschend stylischen Auftritt. Malta, die Türkei und San Marino gehen dazwischen völlig zu Recht unter. Die Comedy-Truppe aus Portugal punktet immerhin mit dem einzigen politisch angehauchten Song des Wettbewerbs: In Blaumann und Tracht, also als eine Art Village People der portugiesischen Nelken-Revolution, singen sie augenzwinkernd von Aufstand und Anstand. Im Vergleich zum Finnen Paradise Oskar fallen sie aber ab, denn der inszeniert seine vor Ironie triefende Weltrettungsballade ungleich gewitzter.



Mit einem RIESIGEN Sternenhimmel im Rücken beginnt der 20-Jährige, der eigentlich Axel Ehnström heißt, seinen Song "Da Da Dam" - und in der Düsseldorfer Arena bricht das Publikum in ein kollektives "Oooooh!", das eigentlich "Ist der niedlich!" heißt, aus. Bewusst übertreibt der Finne es dann zum Refrain mit der Niedlichkeit. Während er "I'm going out in the world to save our planet" singt, geht auf dem Screen langsam eine blaue Erde auf. Das ist so drüber, dass es einem fast die Schuhe auszieht. Aber nur fast, denn der Song ist wirklich hübsch und funktioniert erstaunlicherweise auch auf unironischer Ebene.



Singende Trauergemeinde aus Island

Damit, so meint man, hat dieses Halbfinale sein Unterhaltungs-Soll erfüllt. Doch kurz vor Schluss tritt dann das Duo Ell/Nikki aus Aserbaidschan auf - und singt den ersten zeitgemäßen Pop-Song dieses Abends. Ihre Midtempo-Nummer "Running Scared" überzeugt mit Timbaland-geschulter Produktion. Würde Nelly Furtado das Lied singen, würde es garantiert ein internationaler Hit.




Die größten Stars des Abends sind dann aber doch die Isländer Sjonni's Friends, denn sie liefern die beste, weil ergreifendste Geschichte des diesjährigen ESC. Eigentlich sollte nämlich der Sänger Sjonni Brink für Island antreten. Doch im Januar 2011 starb der 36-Jährige überraschend - und sechs seiner musikalischen Weggefährten sprangen ein, um seinen Song "Coming Home" doch noch in Düsseldorf zu präsentieren. Da macht es nichts aus, dass das Lied eher harmlos dahin plätschert. Die sechs Isländer ziehen triumphierend ins Finale ein - und werden dort bestimmt auch noch auf einen der vorderen Plätze kommen.



Die jüngste Ostblock-Verschwörung

Ins Finale wurden schließlich auch die Georgier mit einer blöden Crossover-Nummer und Litauen mit einer schmierigen Power-Ballade gewählt, das griechische Macho-Mischmasch aus Rap und Folklore wird ebenfalls Samstag zu hören sein. Auch für Russland reichte es für die große Show - wohl vor allem aus optischen Gründen. Finalplätze für Serbien, die Schweiz, Aserbaidschan und Finnland gehen dagegen völlig in Ordnung. Nur ein Platz war am Ende von Anke Engelkes Moderation noch zu vergeben - und der, so die Überzeugung in Düsseldorf, würde eindeutig an Norwegen gehen. Doch mit einem Paukenschlag endete das erste Halbfinale: die heimliche Favoritin Stella Mwangi schaffte es nicht unter die letzten 25.



So bleibt als schwacher Trost für die Norweger, dass sie immerhin der Ostblock-Verschwörungstheorie ein Update besorgt haben. Unter Fans und Experten herrschte nämlich schnell Einigkeit nach diesem Halbfinale: Der Osteuropäer an sich würde eben nicht für einen schwarzen Künstler stimmen. Da sage noch einer, die Theorie, dass sich alle Ostländer gegenseitig die Punkte zuschanzten, wäre mies.


Auszug: Text www.spiegelonline.de

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